Missverständnisse beim Hundetraining

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Hund und Mensch sind sich in viele Dingen sehr ähnlich und bilden oft ein harmonisches Team. Dennoch kann es zu Missverständnissen kommen, die dafür sorgen, dass es irgendwie doch nicht so läuft wie geplant. Hunde sind zwar keine Wesen vom fremden Stern. Trotzdem empfinden sie manches oft anders und sprechen eine andere Sprache als wir Menschen. Hier zeigen wir die die häufigsten Missverständnisse beim Hundetraining.

Körpersprache – Zeig mir, was du möchtest!

Hunde reagieren viel feinfühliger auf die menschliche Körpersprache als vielen Haltern bewusst ist. Generell achten sie sehr viel mehr auf das, was wir tun als auf das, was wir sagen. Problematisch wird es immer dann, wenn diese beiden Handlungen – Tun und Sagen – nicht übereinstimmen. So entstehen dann häufig Missverständnisse beim Hundetraining.

Ein typisches Beispiel: du rufst deinen Hund mit freundlicher Stimme heran. Um ihn zu animieren schnell zu dir zu kommen, beugst du dich ihm entgegen, streckst vielleicht sogar die Hände aus und schaust ihm dabei animierend in die Augen. Dein Hund beginnt auf dich zuzulaufen, dreht dann aber ab, bleibt stehen oder fängt an zu schnüffeln.

Was ist passiert? Zwar hat deine Stimme eine Einladung ausgesprochen, dein Körper und deine Augen haben jedoch gesagt „Bleib weg!“. Hunde untereinander kommunizieren sehr viel mehr über Körpersprache als wir Menschen dies noch bewusst tun. Frontal zum Hund stehen, sich vorbeugen und ein fixierender Blick stellen eine Drohung dar. Besser ist es, sich seitlich zu stellen, gerade zu bleiben oder sich hinzuhocken und den Blick leicht abzuwenden. So sagt auch der Körper „Komm her!“.

In vielen Situationen geraten wir in eine bedrohliche Körperhaltung: Geschirr an- und ausziehen, den Hund abtrocknen, den Hund ins Auto heben usw. Manche Hunde halten das einfach aus und haben weniger ein Problem damit. Andere Hunde fangen früher oder später an in solchen Momenten mit Meideverhalten oder Stress zu reagieren. Es lohnt also sich selbst zu überprüfen, wo man ungünstige Körperhaltungen einnimmt, die es dem Hund erschweren das richtige Verhalten zu zeigen. An dieser Stelle kann man ansetzen und es dem Hund oft schon durch kleine Veränderungen leichter machen.

Unklarheit – Was genau möchtest du von mir?

Einer der häufigsten Missverständnisse beim Hundetraining resultiert daraus, dass Halter eigentlich gar nicht immer ganz genau wissen, was sie von ihrem Hund möchten. Sie haben kein klares Bild davon im Kopf, wie ihr Hund sich ganz genau verhalten soll, wenn sie ein bestimmtes Signal geben. Klar: „Sitz“ bedeutet „Nimm den Popo auf den Boden“. Darin herrscht meist Einigkeit. Wie lange der Hund sitzen soll, ist dagegen oft schon gar nicht mehr so klar oder wird nicht konsequent umgesetzt. Vielleicht reicht es dir in den meisten Fällen, wenn dein Hund sich kurz hinsetzt, wenn du es ihm sagst und es ist ok für dich, dass er dann alleine wieder aufsteht, zum Beispiel wenn du ihn anleinst. Jetzt stehst du aber an einer roten Ampel und du möchtest, dass dein Hund solange sitzen bleibt bis du ihm erlaubst wieder aufzustehen und weiter zu gehen. Steht dein Hund nun in dieser Situation nach zwei Sekunden wieder auf und will weiter, wirst du ihn korrigieren. Dein Hund kann jedoch nicht unterscheiden wann es anscheinend ok ist, dass er selber das Sitz auflöst und wann er plötzlich dafür getadelt wird. Dein Hund kann nicht verstehen, dass „Sitz“ einmal heißt „Setz dich für zwei Sekunden hin“ und ein anderes Mal „Setz dich hin, bis ich etwas anderes sage“. Überlege dir daher für jedes Signal, dass du trainieren möchtest, vorher ganz genau wie das aussehen soll.

Dafür beantworte vier einfache Fragen:

  1. Was genau soll dein Hund tun? – z. B. den Popo auf den Boden nehmen
  2. Wann soll dein Hund das tun? – z. B. wenn ich „Sitz“ sage
  3. Wo soll dein Hund das tun? – z. B. überall wo ich „Sitz“ sage
  4. Wie lange soll dein Hund das tun? – z. B. bis ich „Weiter“ sage oder ein anderes Signal gebe

Hast du einmal dein Ziel so definiert, bleibe dabei und sei konsequent, d. h. dies gilt wirklich immer. So bist du für deinen Hund klar und vermeidest unnötigen Stress.

Reizfülle – Hier und jetzt auch?

Viele Halter haben die Vorstellung, dass ein Hund ein Signal beherrscht, wenn er es ein paar Mal erfolgreich ohne große Ablenkung gelernt hat. Wenn der Hund z. B. perfekt in der Küche Sitz macht, wird angenommen, dass er Sitz kann – und zwar immer und überall. Setzt er sich in einer bestimmten Situation dann nicht hin, wird dies oft als Verweigerung oder Sturheit interpretiert. So einfach ist es aber meist leider nicht! Hunde lernen unglaublich stark kontextbezogen, d. h. sie beziehen die Umwelt, anwesende Personen etc. in das Lernen mit ein. So ist ein Sitz in der Küche vollkommen anders als ein Sitz im Garten. Hat der Hund in der Küche Sitz verstanden, so ist neben dem Halter und seinem Signal „Sitz“ u. a. auch die surrende Spülmaschine ein Reiz. Woher soll der Hund wissen, dass die Spülmaschine für das Sitz total irrelevant ist, wenn sie bisher immer anwesend war, wenn geübt wurde? Wird das Sitz nun im Garten verlangt, fehlt die Spülmaschine und damit ein Reiz, den der Hund bisher mitgelernt hat. Hunde müssen also erst durch viele Wiederholungen an vielen unterschiedlichen Orten herausfiltern, was für das Signal wirklich relevant ist!

Ablenkungen – Zu viel, zu schnell!

Ein weiterer Faktor für Missverständnisse beim Hundetraining sind Ablenkungen. Für Hunde gibt es unzählige Ablenkungen: Geräusche, Gerüche, Bewegungen, Menschen, Hunde, Autos, Tiere… Oft werden diese Ablenkungen von Haltern unterschätzt und Verhalten vom Hund gefordert, dass er einfach noch nicht umsetzen kann! Es werden Lernschritte übersprungen. In der Folge reagiert der Hund mit Stress und Übersprungsverhalten, d. h. er zeigt Verhalten, was scheinbar gar nicht zur Situation passt, z. B. in die Leine beißen, anspringen usw. Hunde müssen nach und nach lernen Signale auch unter Ablenkung auszuführen. Dabei ist es wichtig von leicht nach schwer zu trainieren. Stell dir vor, du hättest nach dem Lernen der Grundrechenarten gleich Funktionsgleichungen lösen sollen!

Um strukturiert üben zu können, schreibe am besten einmal alle Ablenkungen für deinen Hund auf: Futtersorten, Spielzeuge, Menschen, Tieren, Gerüche usw. Bringe die Ablenkungen dann in eine Rangfolge. Ganz unten steht die leichteste und ganz oben die schwerste Ablenkung. Trainiere nun von unten nach oben und gehe immer erst eine Stufe weiter nach oben, wenn der vorherige Schritt perfekt klappt. So kann dein Hund lernen, deine Signale immer auszuführen und ihr trainiert ohne Missverständnisse beim Hundetraining und ohne Überforderung und Stress!


KristinaKristina Ziemer-Falke ist zertifizierte Hundetrainerin und Verhaltensberaterin durch die Tierärztekammer Schleswig-Holstein und das Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Darüber hinaus verfügt sie über viele Zusatzausbildungen und Schwerpunkte und ist im Prüfungsausschuss der Tierärztekammer Niedersachsen für die Hundetrainerzertifizierungen.
Mit ihrem Mann Jörg Ziemer gründete sie das Schulungszentrum Ziemer & Falke, in dem sie seit vielen Jahren mit viel Herz, Leidenschaft und Kompetenz Hundetrainer in ganz Deutschland ausbilden und viele Weiterbildungsangebote anbieten. Viele kennen Kristina außerdem als erfolgreiche Autorin von Fachbüchern für Hundetrainer und Hundehalter sowie aus Artikeln beliebter Hundezeitschriften.


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